„Wer gut studieren will, der komme nach Erfurt“ – als Hasnain Bokhari 2004 an der deutschen Botschaft gefragt wurde, warum er von Pakistan in die thüringische Landeshauptstadt wolle, zitierte er scherzhaft einen Ausspruch, der dem wohl berühmtesten Erfurter Alumnus – Martin Luther – zugeschrieben wird, und hatte so die Lacher der dortigen Mitarbeiter auf seiner Seite. Seitdem sind 15 Jahre vergangen und Hasnain Bokhari ist mittlerweile in Erfurt zuhause. Obwohl das eigentlich nie der Plan war…
Es war nicht sein erster Besuch der Universität Erfurt. Bereits zwei Jahre zuvor nahm Hasnain Bokhari an der Summer School „Islam in the West“ (heute Muslims in the West) an der Professur für Islamwissenschaft teil. Anschließend kehrte er wieder nach Pakistan zurück, schloss seinen Master in Informatik in Islamabad ab und beriet dort Nichtregierungsorganisationen. In der Zwischenzeit bekam er die entscheidende E-Mail von Manuela Linde, der Leiterin des Internationalen Büros der Uni Erfurt. „In der Nachricht ging es um die Vorstellung des ersten englischsprachigen Master-Studiengangs an der Uni Erfurt – den Master of Public Policy an der Erfurt School of Public Policy (heute Willy Brandt School). Diese gab es bei meinem ersten Aufenthalt noch nicht. Das Konzept hat mich total beeindruckt und ich wollte sofort mehr erfahren, da das Modell in Deutschland tatsächlich einzigartig war und mich an Institutionen wie die Harvard Kennedy School erinnerte.“ So bewarb sich Hasnain Bokhari erfolgreich und kam im September 2004 als erster pakistanischer Student zurück an die Universität Erfurt.
Wie die Anfangszeit für ihn war? „Bis auf ‚Guten Tag‘ und ‚Tschüss‘ konnte ich noch kein Wort Deutsch, das war schon eine Herausforderung. Neben den Sprachkursen half mir ein Tipp von Professor Dietmar Herz, dem damaligen Direktor der Erfurt School of Public Policy. Seine Empfehlung: Polit-Talkshows schauen. Und das hat tatsächlich gut funktioniert“, erinnert sich Bokhari. Ebenso erinnert er sich gut an all die Dinge, die vor 15 Jahren noch ganz anders an der Uni Erfurt waren. So befand sich die Erfurt School of Public Policy im Untergeschoss des Lehrgebäude 1. Und während es heute circa 50 Master-Studierende pro Jahrgang gibt, waren es damals nur zwischen 10 und 20. „Es war eine relativ kleine Schule, aber dafür war die Motivation umso größer. Das Team, das u.a. aus Heike Grimm und Dietmar Herz bestand, war sehr gut organisiert und hat dafür gesorgt, dass uns das Einleben leichter fiel und jeder ausländische Student mit einem guten Gefühl in das Studium starten konnte.“ Darüber hinaus nahm der Pakistaner von Beginn an am Patenprogramm „Fremde werden Freunde“ teil und wurde so der „Schützling“ der jahrelangen Projektkoordinatorin Petra Eweleit. Mit ihr verbindet ihn bis heute eine ganz besondere Beziehung: „Mittlerweile gehöre ich eigentlich zur Familie, ihre anderen Kinder bezeichnen mich schon als dritten Sohn – wir feiern auch Geburtstage und Weihnachten gemeinsam.“ Allgemein spielte das Patenprogramm eine große Rolle für Bokhari und hat ihm beim „Ankommen“ in Erfurt sehr geholfen. „2004 waren wir noch sehr wenige ausländische Studierende in Erfurt – da gab einem ‚Fremde werden Freunde‘ einfach das gute Gefühl, dass man nicht allein ist.“ Und weil Hasnain Bokhari dafür so dankbar ist, gibt er gern etwas zurück und hielt u.a. als Botschafter schon verschiedene Vorträge, um das Projekt zu promoten.
2006 beendete Hasnain Bokhari erfolgreich sein Master-Studium und kehrte zunächst wieder in seine Heimat Pakistan zurück. Der Aufenthalt sollte jedoch nicht von langer Dauer sein, denn erneut erhielt er eine E-Mail, die ihn zurück nach Erfurt führte. „Dieses Mal schrieb mir Professor Grimm und machte mich auf die Möglichkeit aufmerksam, als wissenschaftlicher Assistent für sie zu arbeiten“, erklärt er. „Eigentlich war der Plan, tatsächlich nur für das Studium in Deutschland zu bleiben, aber es kam immer wieder eins zum anderen, was dazu führte, dass ich mittlerweile in Erfurt zuhause bin.“ Denn nachdem er zurück war, kam er auch in Kontakt mit Professor Jamal Malik, Islamwissenschaftler an der Uni Erfurt, woraus eine jahrelange Zusammenarbeit entstand. Zunächst arbeitete Hasnain Bokhari in verschiedenen seiner Projekte und bekam schließlich ein Promotionsstipendium der Heinrich-Böll-Stiftung, in dessen Rahmen er u.a. auch ein Semester an der Manchester University verbrachte. Und dabei sollte es nicht bleiben. Während dieser Zeit ergab sich die Möglichkeit einer DAAD-Projektförderung, für die Hasnain Bokhari einen Antrag verfasste und so gemeinsam mit Professor Malik das dreijährige Projekt „Changing Role of Social Media in Muslim Countries“ ins Leben rief. „Das war eine tolle Geschichte – viele Wissenschaftler waren beteiligt und wir organisierten viele Summer Schools, Workshops und Symposien“, schwärmt er. Und das Beste daran: „Studierende der Uni Erfurt hatten dadurch das erste Mal die Möglichkeit, nach Pakistan zu gehen und dort Praktika zu absolvieren und an Workshops teilzunehmen. Und als diese dann trotz anfänglicher Unsicherheit bezüglich der Bedingungen im Land begeistert zurückkamen, hat mich das umso mehr gefreut.“
Ob Hasnain Bokhari nach all den Jahren seine Heimat vermisst? „Natürlich bekomme ich hin und wieder Heimweh, aber ich versuche, jedes Jahr einmal nach Pakistan zu fahren“, erklärt er. Zudem spielt sich sein ganzes (berufliches) Leben in Deutschland ab. „Ich habe hier so viele Erfahrungen gesammelt und mir etwas aufgebaut – vom Studenten, zum wissenschaftlichen Assistenten bis hin zum wissenschaftlichen Mitarbeiter, inklusive verschiedener Lehraufträge an der Willy Brandt School.“ Und mittlerweile praktiziert er die Inhalte von einem der Kurse, die er unterrichtet – Digital Entrepreneurship – selbst: Vor kurzem gründete er zusammen mit einem Freund eine Firma im Bereich E-Commerce und Digitalisierung mit Sitz in Erfurt. „Das ist meine Art, etwas an Erfurt zurückzugeben. Ich bin der Stadt, ihren Menschen und der Universität Erfurt einfach sehr dankbar für alles.“
Hasnain Bokharis Wünsche zum 25-jährigen Jubiläum
Viele meiner Projekte waren nur möglich, weil mich meine Kollegen unterstützt haben – egal wie verrückt meine Ideen zu Anfang manchmal geklungen haben. Die Universität Erfurt braucht weiterhin Köpfe, die sich trauen, auch verrückte Ideen umzusetzen und zu fördern. Denn wenn die Universität Innovationen weiterverfolgt und initiativ orientierte Leute unterstützt, mache ich mir keine Gedanken, dass sie auch ihr 100-jähriges Jubiläum feiern wird.