Alexander Thumfart – geboren in Franken, Studium und Promotion in München und Augsburg und heute als Professor für politische Theorie und Wahl-Erfurter weit über die Grenzen der Uni Erfurt hinaus in der Stadt bekannt. Und das nicht zuletzt durch die jüngste Oberbürgermeisterwahl, bei der er als Kandidat der Partei Bündnis 90/Die Grünen ins Rennen ging. Seine Geschichte in Erfurt beginnt bereits am 1. April 1994 – dem Gründungsdatum der Uni Erfurt. Damals war er noch nicht Professor an der Staatswissenschaftlichen Fakultät – die gab es noch nicht – sondern zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter und anschließend Lehrstuhlassistent an der damaligen Pädagogischen Hochschule Erfurt/Mühlhausen. Hier kommt die ganze Geschichte…
Zeit der Veränderungen
Bereits kurz nach der politischen Wende verschlug es Alexander Thumfart von Bayern nach Thüringen. „Von 1991 bis 1994 war ich Lehrbeauftragter an der TU Ilmenau.“ Als dann die Stelle an der Professur für Politikwissenschaft/Politische Theorie von Arno Waschkuhn in Erfurt ausgeschrieben war, zögerte er nicht lang und bewarb sich. Mit Erfolg. „Professor Waschkuhn kannte ich bereits aus meiner Zeit in München. Zudem habe ich mich in Thüringen von Anfang an wohl gefühlt.“ Darüber hinaus wurde diese Zeit auch aus wissenschaftlicher Sicht interessant für Thumfart: Von den Arbeitsbedingungen, über die Infrastruktur bis hin zu den sozialen Bedingungen und natürlich auch den Menschen – im Zuge der politischen Wende gab es viele große Veränderungen. Genau das hielt den Wissenschaftler in Erfurt. „Ich empfand diese Phase der Transformation als unheimlich spannend“, erklärt er. So spannend, dass er sich diesem Thema auch in seiner Habilitationsschrift widmete. Alexander Thumfart lacht: „Ich glaube, das daraus entstandene Werk ist nach wie vor das dickste in der Edition Suhrkamp erschienene Buch.“ Und heute, nach fast 20 Jahren, schließt er wieder an das Thema der Transformationsprozesse an. Als einer von vier Professoren der Universität Erfurt wirkt Thumfart in einem Verbundprojekt zu „Diktaturerfahrung und Transformation“ mit. „Das Thema hat sich im Laufe der Zeit zu einem meiner Steckenpferde entwickelt. Besonderes Augenmerk liegt für mich jedoch heute auch auf der Frage, wie sich die Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft darstellt.“
Das Harvard an der Gera
Doch zurück in die späten 90er-Jahre. Wie es dazu kam, dass er vom Lehrstuhlassistenten an der Pädagogischen Hochschule zum Professor an der Universität Erfurt wurde? „Mit dem Erscheinen von Peter Glotz und der Gründung des Max-Weber-Kollegs folgten auch die Berufungsverfahren der Professoren für die Staatswissenschaftliche Fakultät. Dort kam ich das erste Mal mit der Uni Erfurt in Berührung, denn für die Verfahren griff man auf die Politikwissenschaftler der Pädagogischen Hochschule zurück – die Integration war ohnehin geplant. So war ich bereits ab 1999 bei vielen Bewerbungsverfahren als Vertreter des wissenschaftlichen Mittelbaus dabei.“ Die Universität Erfurt genoss ein sehr hohes Ansehen in der akademischen Welt. Deshalb seien bei den Bewerbungsverfahren viele tolle Leute dabei gewesen, die die Uni z.T. jedoch nur als „Sprungbrett“ genutzt hätten. „Die bekannte Rede vom ‚Harvard an der Gera‘ hatte also auch seine Schattenseiten“, erinnert sich Alexander Thumfart. „Die Vorschusslorbeeren der Uni haben es den Leuten leichter gemacht, an Standorten wie Zürich oder München Stellen zu finden – die Uni Erfurt galt als ein Qualitätsausweis. Das war dann schon mühselig, die Stellen immer wieder neu zu besetzen.“ Nach einer Zwischenstation als Vertretungsprofessor in Freiburg/Breisgau wurde 2001 schließlich auch Thumfart selbst Hochschuldozent für politische Theorie an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt.
Herzensangelegenheiten
Es sollte nicht lang dauern, bis er sich in die Erfurter Lokalpolitik einmischte – 2004 saß er das erste Mal für die Partei Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat, und das 15 Jahre lang. Und dies ist nur ein Aspekt seines Engagements über die Grenzen der Universität Erfurt hinaus. Ein Projekt, das ihm besonders am Herzen liegt: „Seit nun schon fast sechs Jahren läuft eine Initiative für die Wiedereröffnung des Schauspielhauses als Kulturquartier, die ich gemeinsam mit anderen ins Leben gerufen habe. Das Haus ist in Erfurt verankert – die Leute haben gute Erinnerungen daran und es ist Teil der Stadtgeschichte. Aktuell sammeln wir für die erste Kulturgenossenschaft in Thüringen noch Geld, um auf die benötigte Mindestsumme zu kommen.“ Was ihn motiviert, sich außerhalb der Uni zu engagieren? „Zum einen bin ich überzeugt, dass ich damit der Stadt etwas Gutes tue. Zum anderen macht es mir einfach Spaß, mit Menschen zusammenzuarbeiten, mit denen ich einen gewissen Grundkonsens habe – dann ist es eigentlich gar keine ‚Arbeit‘.“ Und bei den vielen Dingen, die er nebenbei macht, hat Alexander Thumfart natürlich auch immer Uni und Studierende im Hinterkopf. So ist ihm besonders die Anbindung der Uni an die Stadt und umgekehrt die Präsenz der Stadt an der Uni ein wichtiges Anliegen. Das äußert sich zum einen bei den Ringvorlesungen, von denen er bereits fünf organisiert hat und die bewusst immer in der Stadt stattfinden. Zum anderen rief er 2007 gemeinsam mit Marlies Imhof, einer Mitarbeiterin der Erfurter Kulturdirektion, und Professor Tilmann Betsch die Lange Nacht der Wissenschaft ins Leben. „Das war damals ein großer Erfolg. Ich hatte den Eindruck, dass viele Bürgerinnen und Bürger zum ersten Mal auf dem Campus der neugegründeten Universität waren und dort erstmals gesehen haben, was ‚wir hier oben‘ eigentlich machen. Sie stellten fest, wie vielfältig und interessant die Themen eigentlich sind – ob Geschichte, Philosophie, Kultur oder Sozialwissenschaften.“ Warum ihm die Zusammenarbeit von Uni und Stadt so wichtig ist? „Wissenschaft kann dazu beitragen, dass wir alle unsere Gesellschaft vernünftiger analysieren und dann auch vernünftiger handeln. Ob es um Themen wie Bildungsgerechtigkeit, Klimawandel, Rechtspopulismus oder Geschichte geht – Wissenschaft ist ein Element der bürgerlichen Aufklärung. Und wenn es dann noch Spaß macht und unterhaltsam ist, ist das umso besser.“
Grandiose Bedingungen
Nicht nur in der Stadt Erfurt, auch an der Universität Erfurt fühlt sich Alexander Thumfart wohl. Zum einen liegt das – wie sollte es anders sein – am Campus selbst. „Dieser schöne Ort mit seinen grünen Bäumen zusammen mit der Größe und der Tatsache, dass wir uns alle kennen, ist schon ein großer Vorteil, der die Zusammenarbeit erleichtert und Vertrauen schafft. Dies bringt auch für die Studierenden ein Klima, das sehr lernförderlich ist“, erklärt er und fügt hinzu: „Und nicht zu vergessen, das schöne Café“, und meint damit das Café Hilgenfeld, in dem er gern seine Pausen verbringt. Zum anderen macht Alexander Thumfart auch die Lehre großen Spaß: „Mir gefällt, dass ich anderen etwas beibringen kann und dabei selbst etwas lerne – eigentlich das Humboldt’sche Ideal der Einheit von Lehrenden und Lernenden. Und die Möglichkeit zu haben, immer wieder neue Sachen mit anderen zusammen zu lernen – das ist doch grandios.“
Alexander Thumfarts Wünsche zum 25-jährigen Jubiläum
„Ich wünsche mir, dass die Idee der Nachhaltigkeit stärker in den Vordergrund gestellt wird – sowohl, was die Institutionen als auch die Lehre betrifft. Damit können wir als Universität noch attraktiver für zukünftige Studierende werden, Stichwort „Fridays for Future“. Wir müssen uns dieser Herausforderung stellen. Die Universität kann dabei nur gewinnen und gleichzeitig eine neue Attraktivität generieren. Nachhaltigkeit und Interdisziplinarität sollten die Maxime des Handelns in den Institutionen sein – von regionaler Küche bis hin zu flachen Hierarchien in der Verwaltung.“